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AutorenbildRA Sven Skana

Heilungsvoraussetzungen eines Zustellungsmangels

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat sich hinsichtlich der Kategorie des Prozessrechtes zu den Heilungsvoraussetzungen eines Zustellungsmangels ausgesprochen und diese weiter konkretisiert. Nach Ansicht des BayObLG ist eine Heilung eines Zustellungsmangels nach § 51 Abs. 1 Satz 1 OWiG i.V.m. § 9 VwZVG auch dann möglich, wenn eine Abschrift des zuzustellenden Dokuments nicht dem Zustellungsadressaten, sondern einem sonstigen Empfangsberechtigten zugeht.


Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Das Amtsgericht hat den von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundenen Betroffenen, der in der Hauptverhandlung vom 02.08.2021 nicht durch einen Verteidiger vertreten wurde, in dessen Abwesenheit wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h zur Geldbuße in Höhe von 160 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt. Das schriftliche Urteil wurde dem Verteidiger am 15.08.2021 zugestellt.


Der Betroffene hat am 17.08.2021 eine Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt. Das Amtsgericht hat jedoch mit Beschluss vom 20.09.2021 diese Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen, da es der Meinung war, dass das Rechtsmittel nicht rechtzeitig begründet worden sei.


Das Bayerische Oberste Landgericht sah dies jedoch anders. Es entschied, dass das Amtsgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Rechtsbeschwerde des Betroffenen nicht rechtzeitig begründet worden sei.


Ein Zustellungsmangel kann unter engen Voraussetzungen geheilt werden


Die am 23.09.2021 eingegangene Rechtsmittelbegründung war nicht verspätet. Das schriftliche Urteil des Amtsgerichts vom 02.08.2021 ist dem Verteidiger am 15.08.2021 zugestellt worden mit der Folge, dass die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 4 OWiG eine Woche danach, d.h. wegen § 43 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG am Montag, dem 23.08.2021, ablief.

Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde begann gemäß § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels und damit am 24.08.2021. Sie endete mit Ablauf des Tages, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hatte, also am 24.09.2021. Dies folgt aus § 43 Abs. 1 StPO, der auch dann gilt, wenn sich die Rechtsmittelbegründungsfrist unmittelbar an den Ablauf der Einlegungsfrist anschließt, sodass sie mit dem Beginn des auf den Ablauf der Einlegungsfrist folgenden Tages in Lauf gesetzt wird.

Die damit verbundenen Zustellungsfehler wurden nach Ansicht des BayObLG ebenfalls geheilt. Es wurde einerseits eine Ersatzzustellung am Wohnort der Eltern des Betroffenen durchgeführt, welche jedoch keine Gültigkeit hatte, da zum Zeitpunkt der Zustellung der Adressat keinen festen Wohnsitz bei seinen Eltern vorweisen konnte, sondern als Zeitsoldat in Berchtesgaden stationiert war. Eine Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten nach § 51 Abs. 1 Satz 1 OWiG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 BayVwZVG, 180 ZPO setzt aber voraus, dass der Zustellungsadressat dort wohnhaft ist.


Allerdings wurde der Zustellungsmangel gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 OWiG i.V.m. Art. 9 BayVwZVG geheilt, als eine Abschrift des Bußgeldbescheids dem Verteidiger tatsächlich zuging. Nach Art. 9 BayVwZVG gilt die Zustellung eines Dokuments, das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften übermittelt wurde, in dem Zeitpunkt als bewirkt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Dies war spätestens dann gegeben, als der Verteidiger eine Abschrift des Bußgeldbescheids erhielt.


Aufgrund dieser Umstände folgt das BayObLG der Rechtsbeschwerde des Betroffenen und hebt das Verwerfungsurteil des Amtsgerichts auf.




Bayerisches Oberstes Landgericht: Beschluss vom 21.01.2022 – 202 ObOWi 2/22

AdobeStock-Foto-Nr.: 327880029




Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.


Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht



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