Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, wie der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) im Kontext einer Schussabgabe durch eine Schusswaffe während einer Verfolgungsjagd zu bewerten ist.
Der Sachverhalt: Eine dramatische Verfolgungsjagd
Ein Angeklagter entriss einer Frau gewaltsam einen Koffer mit über drei Kilogramm Goldschmuck. Gemeinsam mit seinen Mittätern flüchtete er in einem Fahrzeug vom Tatort. Der Ehemann der Geschädigten nahm die Verfolgung mit seinem Pkw auf, um den Schmuck zurückzuholen.
Die Folge: auf einer stark befahrenen Autobahn kam es zu einer Kollision der beiden Fahrzeuge, als der Verfolger auffuhr. Um die Verfolgung abzubrechen, lehnte sich der Angeklagte aus dem Fenster des Fluchtfahrzeugs und gab einen Schuss in Richtung des verfolgenden Autos ab. Das Projektil traf die Motorhaube sowie die Windschutzscheibe des verfolgenden Fahrzeugs, wodurch beide Teile beschädigt wurden.
Das Landgericht (LG) und der BGH bejahten, dass der Angeklagte einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) begangen hat. Allerdings wurde eine zentrale Differenzierung vorgenommen.
1. § 315 Abs. 1 Nr. 1 StGB:
Hier scheidet eine Strafbarkeit aus, da die Beschädigung des Fahrzeugs zwar vorliegt, diese jedoch nicht zur Gefährdung der allgemeinen Verkehrssicherheit geführt hat. Die Norm erfordert, dass die Beschädigung das Mittel zur Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ist, was in diesem Fall nicht gegeben war.
2. § 315 Abs. 1 Nr. 3 StGB:
Der BGH sah den Tatbestand dieser Norm als erfüllt an. Die Schussabgabe führte unmittelbar zu einer konkreten Gefahr, da sie durch die Dynamik des Straßenverkehrs verstärkt wurde. Besonders entscheidend war, dass der Schuss die Stirnseite des bewegten Fahrzeugs traf, wodurch die Bewegungsenergie des Autos eine gefahrerhöhende Wirkung hatte.
Der BGH stellt also klar, dass nur verkehrsspezifische Gefahren unter diese Norm fallen. Der synergistische Effekt aus der kinetischen Energie des Geschosses und der Bewegung des Fahrzeugs begründeten in diesem Fall eine ausreichende Verbindung zur Dynamik des Straßenverkehrs.
Relevanz für die Praxis:
Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der spezifischen Zusammenhänge zwischen Tathandlung und Verkehrsgefahr. Besonders bei der Anwendung von § 315b StGB ist eine präzise Analyse erforderlich, ob die konkrete Gefahr auf verkehrsspezifischen Faktoren beruht.
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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