Gemäß Artikel 103 Abs. 3 GG darf niemand wegen derselben Tat mehrmals bestraft werden. Insofern wären zwei während einer Fahrt aufeinanderfolgende Geschwindigkeitsverstöße als eine Tat zu werten – oder doch nicht?
Nachdem das AG Stuttgart den Betroffenen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung (151 km/h statt 80 km/h), begangen am 27.10.2022 um 21:34 Uhr, verurteilt hatte, hob das OLG Stuttgart die Entscheidung auf und stellte das Verfahren ein.
Strafklageverbrauch durch rechtskräftigen Bußgeldbescheid
Begründet wurde die Verfahrenseinstellung damit, dass der Betroffene am Tattag zur selben Uhrzeit von einer anderen Kontrollstelle in der Nähe gemessen worden war. Der darauffolgende Bußgeldbescheid war am 29.12.2022 rechtskräftig geworden. Das OLG ging davon aus, dass dieser rechtskräftige Bescheid eine Sperrwirkung hinsichtlich weiterer Taten während derselben Fahrt entfaltet. Der vom AG Stuttgart beurteilte Tatvorwurf hätte daher nicht weiter verfolgt werden dürfen. Es lag folglich trotz zwei gemessenen Ordnungswidrigkeiten wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs nur eine Tat vor. Das pflichtwidrig stark beschleunigte Geradeausfahren zwischen den Messstellen wurde demselben Verkehrsvorgang zugeordnet. Dass sich die Geschwindigkeitsregelung auf der Strecke änderte, führte zu keiner anderen Beurteilung. Weiterhin sprach für die Wertung als eine Tat, dass auch in subjektiver Hinsicht ein enger Zusammenhang zwischen beiden Verstößen bestand. Laut OLG beruhten diese bei Betrachtung der gemessenen Geschwindigkeiten und der zurückgelegten Wegstrecke ersichtlich auf dem Willen des Betroffenen, den Verkehrsvorgang des Geradeausfahrens möglichst schnell abzuschließen. Bei beiden Geschwindigkeitsverstößen nahm das OLG also Vorsatz an.
Fahrlässigkeit könnte Sperrwirkung aufheben
Anders als im vorliegenden Fall könnte ein Sachverhalt zu bewerten sein, der einen fahrlässigen Geschwindigkeitsverstoß und einen anschließenden vorsätzlich begangenen Geschwindigkeitsverstoß enthält. Es stellt sich dann die Frage, ob das weitere pflichtwidrig stark beschleunigte Geradeausfahren zwischen den Messstellen eine neue Tat darstellt aufgrund der erst nach der ersten Tat vorsätzlichen Begehungsweise. Diese Konstellation könnte auch deshalb noch interessant werden, da im Vergleich die Annahme zweier vorsätzlich begangener Verstöße sodann zu einer insgesamt geringeren (nur einmal) Bestrafung führt. Es bleibt abzuwarten, wie die Gericht in Zukunft entscheiden werden.
AZ: OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.01.2024 – 2 ORbs 23 Ss 769/23
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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