Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte in einem aktuellen Berufungsfall zu entscheiden, wie es sich rechtlich verhält, wenn der Angeklagt zwar körperlich anwesend ist, sich jedoch nicht als Angeklagter zu erkennen gibt und Fragen zu seiner Identität nicht beantwortet. Die Richter entschieden, dass eine Berufung in solch einem Fall verworfen werden soll.
Dem Fall liegt folgender kurioser Sachverhalt zugrunde:
Nach einem Urteil des Landgerichts Karlsruhe gegen den Angeklagten entschloss dieser sich, Rechtsmittel einzulegen, wodurch das Urteil zur Berufung an das Oberlandesgericht weitergereicht wurde.
Nach den Feststellungen des Gerichts war der Angeklagte bei dem Aufruf der Berufungsverhandlung nicht erschienen. Nach 20 – minütiger Unterbrechung der Hauptverhandlung erschien im Gericht eine unbekannte männliche Person im Sitzungssaal, welche kommentarlos im Zuschauerraum Platz fand.
Als der Vorsitzende sich zu der Person wandte und nachfragte, ob er denn der Angeklagte der heutigen Sitzung sei, erklärte er lediglich, dass er sich als „Exekutor des Angeklagten B.“ ansehe. Dabei zeigte er mit dem Finger auf den leeren Stuhl des Angeklagten.
Identität des Mannes im Gerichtssaal konnte nicht festgestellt werden
Der Vorsitzende ließ den Mann mit Hilfe des Gerichtswachtmeisters untersuchen. Dieser konnte lediglich eine Abstammungsurkunde vorweisen, auf welcher zwar der Name des Angeklagten in Abstammung abgedruckt war, dies reichte jedoch nicht für den vollständigen Beweis der Identitätsfeststellung.
Selbst der anwesende Verteidiger des Angeklagten konnte diesen nicht ohne Zweifel identifizieren.
Die Fragen des Vorsitzenden hinsichtlich seiner Person ignorierte er, antwortete in manchen Fällen lediglich mit Gegenfragen. Da er sich letztendlich nicht als Angeklagter in Person zu erkennen gab, entschieden die Richter, die Berufung des Angeklagten zu verwerfen.
Das Gericht argumentiert, dass zeitraubende und aufwändige Aufklärungsarbeit hinsichtlich der Identität der anwesenden Person der Kammer nicht hätten auferlegt werden dürfen, § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO. Zudem ist es in solch einer Situation geboten, eine Berufung zu verweigern, wenn es sich in diesem Fall um den Angeklagten handelte, da dieser entgegen § 111 Abs. 1 OWiG die Angaben zu seiner Identität verweigerte und sich gegenüber dem Gericht nicht als solcher habe erkennen lassen.
Zudem könnte man eine solche Konstellation als „Nichterscheinung zur Hauptverhandlung“ nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO behandeln, da die alleinige körperliche Anwesenheit des Angeklagten nicht ausreicht, sondern der Zweck der Sachentscheidung hinsichtlich der Berufung gewürdigt werden muss.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 27.04.2022 - 1 Rvs 34 Ss 173/22 –
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Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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