Ein Blick aufs Handy, fehlender Abstand oder überhöhte Geschwindigkeit: im Straßenverkehr kommt es häufig zu Unfällen und damit einhergehenden Unfallfluchten gem. §142 StGB. Der BGH hat kürzlich in zwei Entscheidungen noch einmal zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort Stellung genommen.
1. Im ersten Fall hat der Angeklagte zwei Fußgänger bewusst angefahren, Fahrzeuge beschädigt und sich dann vom Unfallort entfernt. Er wurde vor dem Landgericht Aachen unter anderem wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort angeklagt. Das Landgericht hatte das Vorliegen eines Unfalls verneint und den Angeklagten im vorinstanzlichen Urteil vom Vorwurf der Unfallflucht freigesprochen.
Der 4. Strafsenat des BGH hob hingegen das Urteil des Landgericht Aachen auf und stellte in seinem Urteil klar, dass ein Verkehrsunfall jedes mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängendes Ereignis sei, durch das ein Mensch zu Schaden kommt. Die Annahme eines Verkehrsunfalls setze darüber hinaus einen verkehrsspezifischen Gefahrzusammenhang voraus. Eine solche Verknüpfung des Schadensereignisses mit einem Verkehrsgeschehen sei dann zu verneinen, wenn sich das Verhalten schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Auswirkung einer deliktischen Planung darstellt, wie sie an beliebigen anderen Orten mit beliebigen anderen Mitteln auch durchführbar wäre. Im vorliegenden Fall liege es nahe, dass sich jedenfalls in den Kollisionen mit den geparkten Fahrzeugen verkehrstypische Gefahren realisiert haben. Der Sachschaden könne als Auswirkung des allgemeinen Verkehrsrisikos gewertet werden, sodass ein Verkehrsunfall vorliege.
Zum Tatbestandsmerkmals des Unfalls gem. §142 I StGB: BGH Urt. v. 20.06.2024 – 4 StR 15/24
2. Im zweiten Fall floh der Hauptangeklagte mit überhöhter Geschwindigkeit vor der Polizei und kollidierte auf einer Kreuzung mit einem anderen Fahrzeug. Der Hauptangeklagte verständigte sich mit seinen beiden Mitfahrern darauf, den Unfallort unerlaubt zu verlassen. Der BGH bestätigte die Ansicht des vorinstanzlich zuständigen Landgerichts und nahm eine psychische Beihilfe beider Mitfahrer gem. §27 StGB zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort an. Die Mitfahrer hätten den Angeklagten in seinem Beschluss bestärkt, sich vom Unfallort zu entfernen.
AZ: BGH Urt. v. 01.08.2024 – 4 StR 409/23
Fazit:
Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort spielt in der Praxis eine große Rolle. Der BGH verdeutlicht in beiden Entscheidungen, dass Unfallflucht kein Kavaliersdelikt ist. Nichtsdestotrotz werden viele Vorwürfe der Unfallflucht bereits im Ermittlungsverfahren eingestellt. Es lohnt sich daher im Einzelfall, anwaltlichen Rat einzuholen und gegen Vorwürfe des unerlaubten Entfernens vom Unfallort vorzugehen.
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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