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AutorenbildRA Sven Skana

Prüfung bzgl. ausreichender Entschuldigung bei Ausbleiben eines Beschuldigten verbleibt beim Gericht

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat sich in einer Entscheidung aus dem Januar 2022 erneut mit dem Verwerfungsurteil und seinen Konkretisierungen auseinandersetzen müssen. In der praktischen Anwendung kommt es sehr oft zu einem Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG, wenn der nicht von seiner Erscheinungspflicht entbundene Betroffene in der Hauptverhandlung nicht erscheint. Nach Ansicht der Richter des OLG Brandenburg kann jedoch pauschal nicht so verfahren werden, denn das zuständige Amtsgericht hat eine besondere Aufklärungspflicht, ob eine solche Entschuldigung des Betroffenen wirklich vorliegt oder gänzlich ausgeblieben ist.


Der obergerichtlichen Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beschuldigte wurde aufgrund eines Geschwindigkeitsverstoßes zu einer Zahlung von 70 EUR durch die Zustellung eines Bußgeldbescheids aufgefordert. Gegen diesen legte er Einspruch ein – die Sache wurde an das zuständige Amtsgericht weitergeleitet, welches eine Hauptverhandlung auf den 23.07.2021 terminierte. Zu diesem Termin wurde sowohl der Betroffene als auch sein Verteidiger förmlich geladen.


Am 19.07.2021 wurde seitens des Verteidigers ein Schriftsatz an das Gericht geschickt, welches mitteilte, dass der Betroffene nicht zur Hauptverhandlung erscheinen kann, da er sich am 22.07.2021 einer Operation unterziehen muss. Es wurde eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beigelegt.

Seitens der Richterin wurde der alte Termin aufgehoben und ein neuer Termin auf den 27.08.2021 festgesetzt.

Am 25.08.2021 wurde erneut durch den Verteidiger ein Terminsverlegungsantrag an das Gericht versandt. Beigefügt war eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, welche nun auf den Zeitraum bis zum 05.09.2021 testiert war.


Richterin lehnt Terminverlegungsantrag ab – AU zeigt keine Verhandlungsunfähigkeit an

Die Terminverlegung wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die beigefügte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht zeitgleich auch die Verhandlungsunfähigkeit attestiert, welche notwendig wäre, um den Termin erneut zu verlegen.

Da der Betroffene nicht zur Hauptverhandlung erschien, kam es seitens des Gerichts zu einem Verwerfungsurteil. Dies wurde damit begründet, dass der Beschuldigte unentschuldigt nicht zum Hauptverhandlungstermin erschien. Das Gericht hielt an folgender Begründung fest:


„Die von dem Betroffenen angegebenen Gründe vermögen das Fernbleiben nicht zu entschuldigen, weil die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur eine Folgebescheinigung darstellt. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Betroffenen eine Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht zumutbar ist. Das Gericht hat sich die Überzeugung verschafft, dass keine hinreichenden Entschuldigungsgründe vorliegen. Es handelt sich um eine ambulante Operation, die am 22.07.2021 stattgefunden hat. Weitere Anhaltspunkte liegen nicht vor.“


Der Betroffene wehrt sich mit einem Rechtsmittel gegen das Verwerfungsurteil. Mit Erfolg!

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts sei durch das Verwerfungsurteil des Amtsgerichts das Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden.

Nach allgemeiner Ansicht in der Rechtsprechung ist es ein Grundsatz, dass der Betroffene die vorgebrachten Entschuldigungsgründe nicht glaubhaft machen oder nachweisen muss. Es bedarf lediglich eines schlüssigen Sachvortrages, welcher hier gegeben ist.

Liegen Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung vor, so darf der Einspruch nur verworfen werden, wenn das Amtsgericht sich die Überzeugung verschafft hat, dass hinreichende Entschuldigungsgründe nicht gegeben sind, wobei eine großzügige Auslegung zu Gunsten des Betroffenen geboten ist.

Diesen Grundsätzen wird das amtsgerichtliche Urteil jedoch nicht gerecht, da es auf die besondere Attestierung einer Verhandlungsunfähigkeit plädiert, welche jedoch in ihrer Aufklärungspflicht liegt.

Aufgrund diesen Umstandes wurde das Verwerfungsurteil des Amtsgerichtes aufgehoben und es kommt zu einer erneuten Terminierung einer Hauptverhandlung.




OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.01.2022 - 1 OLG 53 Ss-OWi 586/21

AdobeStock-Foto-Nr.: 366999663




Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.


Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht




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