Das Oberlandesgericht Koblenz hat sich in einem Beschluss vom 13.04.20221 mit der Frage befasst, ob die sogenannte Medikamentenklausel des § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG auch dann gilt, wenn der Betroffene neben dem verordneten Medizinalcannabis noch andere illegale Drogen konsumiert hat.
Folgender Sachverhalt war Grundlage der Entscheidung:
Der Betroffene war vom Amtsgericht Trier wegen vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung von Cannabis zu einer Geldbuße von 1.500,- Euro und einem Fahrverbot von drei Monaten verurteilt worden. Er hatte eingeräumt, dass er das Fahrzeug unter der Wirkung von Cannabis geführt hatte, da ihm von seinem Arzt die Einnahme von bis zu 2g THC haltigen Produkten (Cannabisblüten) verordnet worden war. Eine Blutprobe hatte jedoch neben einem THC-Wert von 13 ng/ml auch einen Benzoylecgonin-Wert von 5 ng/ml ergeben, was auf einen Beikonsum von Kokain hindeutete. Das Amtsgericht hatte daraus geschlossen, dass der Betroffene das Medizinalcannabis nicht bestimmungsgemäß eingenommen hatte und daher die Medikamentenklausel nicht anwendbar sei.
Medikamentenklausel bei Mischkonsum – es kommt dennoch auf den Einzelfall an
Das Oberlandesgericht Koblenz hat das Urteil des Amtsgerichts Trier auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Es wurde zunächst festgestellt, dass das Amtsgericht den Inhalt des maßgeblichen Cannabinoidausweises des Betroffenen nicht im Wortlaut wiedergegeben hatte, was eine Überprüfung der Frage, ob die Medikamentenklausel eingreift oder nicht, erschwert habe.
Sodann hat das Gericht klargestellt, dass der Konsum von illegalen Drogen neben dem Medizinalcannabis die Anwendung der Medikamentenklausel grundsätzlich nicht entfallen lasse. Die Medikamentenklausel solle denjenigen schützen, die aufgrund einer ärztlichen Verordnung gezwungen seien, ein Medikament einzunehmen, das die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen könne. Dieser Schutz gelte aber nur dann, wenn der Betroffene das Medikament nach den Anweisungen des Arztes eingenommen habe und sich ansonsten verkehrsgerecht verhalten habe. Die Richter haben jedoch betont, dass ein ordnungswidriges Verhalten des Betroffenen dann vorliege, wenn nachzuweisen sei, dass auch ohne die Einnahme der verordneten Menge des Medikaments der analytische Grenzwert überschritten worden wäre. Dies sei hier nicht ausgeschlossen, da der THC-Wert von 13 ng/ml deutlich über dem Grenzwert von 1 ng/ml liege und auch ein Beikonsum von Kokain die THC-Konzentration im Blut erhöhen könne. Das Revisionsgericht hat daher eine erneute tatrichterliche Würdigung der Beweise für erforderlich gehalten und das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben.
Immer noch Unsicherheit bei den Patienten
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz zeigt, dass die Rechtsprechung zu der Frage, wie die Medikamentenklausel bei der Einnahme von Medizinalcannabis zu handhaben ist, noch nicht gefestigt ist. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte in Zukunft mit Fällen von Mischkonsum von Cannabis und anderen Drogen umgehen werden. Es ist zu empfehlen, dass Patienten, die Medizinalcannabis einnehmen müssen, sich an die Vorgaben ihres Arztes halten und keine weiteren Drogen konsumieren. Sie sollten zudem ihren Cannabinoidausweis stets bei sich führen und bei einer Verkehrskontrolle vorzeigen. Sie sollten sich aber auch bewusst sein, dass sie trotz der Medikamentenklausel eine Ordnungswidrigkeit begehen können, wenn sie unter dem Einfluss von Cannabis ein Fahrzeug führen und dabei den analytischen Grenzwert überschreiten. Sie sollten daher immer ihre individuelle Fahrtüchtigkeit prüfen und gegebenenfalls auf das Fahren verzichten oder alternative Verkehrsmittel nutzen.
Az.: OLG Koblenz, Beschl. v. 13.04.2022 - 3 OWi 31 SsBs 49/22
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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