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AutorenbildRA Sven Skana

Nachtrunkbehauptung – Glaubhaftigkeit und Pflichtverteidigung

Der Vorwurf der Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. 1 StGB setzt eine Fahrunsicherheit des Fahrers zum Tatzeitpunkt voraus. Hierzu sind mindestens 0,3 Promille Blutalkoholkonzentration und darauf beruhende Fahrfehler erforderlich. Behauptet ein Betroffener bei Messung der BAK, Alkohol zu sich genommen zu haben, nachdem er die Fahrt beendet hatte, muss noch vor Rückrechnung des Alkoholwertes zum Tatzeitpunkt ermittelt werden, ob die Aussage glaubhaft ist. So hat das Bayerische Oberlandesgericht am 15.08.2023 per Beschluss in einer Strafrechtssache mit dem Vorwurf der fahrlässigen Trunkenheitsfahrt entschieden. Wenn die Behauptung des Nachtrunks nicht mit der erforderlichen Sicherheit widerlegt werden kann, so muss das zuständige Gericht die maximal mögliche Menge, die der Betroffene nach der Tat zu sich genommen haben kann, ermitteln. Dabei sind der Berechnung die nach medizinischer Erkenntnis jeweils niedrigsten Werte zu den Faktoren Abbauwert, Resorptionszeit und Reduktionsfaktor zugrunde zu legen.


Ob die Bestellung eines Pflichtverteidigers in solchen Nachtrunkfällen zwingend notwendig ist, hat das Landgericht Hannover wiederum in der Strafsache eines wegen einer Alkoholfahrt Angeklagten beschäftigt. Der Betroffene hatte bei Ankunft der Polizei angegeben, bei einer Freundin Alkohol konsumiert zu haben und sich dann zum Schlafen in sein Auto gesetzt zu haben. Er korrigierte seine Aussage anschließend und behauptete, vor Fahrtantritt lediglich 0,5 l Bier getrunken zu haben und weitere alkoholische Getränke erst nach Ankunft am Ziel. Die daraufhin angeordnete Blutuntersuchung ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,59 Promille. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Hannover gab der Wahlverteidiger an, der Angeklagte sei für eine ordnungsgemäße Belehrung durch die Polizeibeamten viel zu betrunken gewesen und die Belehrung zudem unvollständig, weshalb die Angaben des bezeugenden Polizeioberkommissars nicht verwertet werden dürften. Das AG gab daraufhin ein Sachverständigengutachten in Auftrag, welches die Nachtrunkbehauptung des Angeklagten überprüfen sollte. Dies nahm der Wahlverteidiger zum Anlass, um einen Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger zu stellen und im Zuge dessen die Niederlegung seines Wahlmandats zu erklären. Als Begründung nannte er die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, welche die Bestellung eines Pflichtverteidigers notwendig mache nach § 140 Abs. 2 StPO. Das einzuholende Sachverständigengutachten sei das entscheidende Beweismittel, zudem ginge es auch um die Beurteilung eines Verwertungsverbots hinsichtlich des Zeugen. Der Antrag wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Verteidigers hin bestätigte schließlich das LG Hannover, dass kein Fall der notwendigen Verteidigung vorliege, da die Sach- und Rechtslage nicht ausreichend schwierig sei. Nicht jede Beteiligung eines Gutachtens sei ein Grund für eine notwendige Verteidigung, insbesondere sei vorliegend die Beantwortung der Frage durch einen Sachverständigen, ob der behauptete Nachtrunk aus rechtsmedizinischer Sicht belegt, möglich oder auszuschließen sei, auch für den juristischen Laien verständlich. Das Gutachten sei außerdem nicht das einzige Beweismittel.

Wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschuldigte den Hinweis auf sein Schweigerecht nicht verstanden hat, ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen. Das LG argumentierte das Fehlen solcher Anhaltspunkte damit, dass das Schweigerecht nicht schwer zu verstehen sei und der Beschuldigte trotz deutlicher Alkoholisierung sachbezogene Angaben gemacht und sogar leere Dosen gezeigt habe, wohl um den strafrechtlichen Vorwurf zu entkräften.

Das LG Hannover sah keine schwierige Sach- und Rechtslage und verwarf die Beschwerde des Wahlverteidigers als unbegründet.

 

AZ Fall 1: BayObLG, Beschluss vom 15.08.2023 - 203 StRR 317/23   

        

AZ Fall 2: LG Hannover, Beschluss vom 5.9.2023 – 63 Qs 38/23.

 

Hinweis:


Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.

Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht 

 

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