Das Kammergericht Berlin musste sich im September 2019 über die Reichweite des sogenannten „roten Kennzeichens“ äußern und dessen Anwendungsbereich weiter konkretisieren, welcher in § 16 FVZ geregelt ist. Die Richter entschieden, dass ein rotes Kurzzeitkennzeichen lediglich zur Probefahrt genutzt werden darf. Eine Unterbrechung dieser Probefahrt, beispielsweise, um in ein Restaurant einzukehren, ist nicht mehr vom Schutzzweck der Kurzzeitanmeldung umfasst und zu einem Verstoß nach § 3 Abs. 1 FVZ führt, dem Fahren eines Fahrzeuges ohne Zulassung.
Dem Beschluss des Kammergerichts liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der 27 – Jährige Betroffene begibt sich zu einem privaten Besichtigungstermin um ein älteres Fahrzeug zu testen und gegebenfalls zu erwerben. Der Verkäufer habe extra ein rotes Kennzeichen angefordert, damit er dem potentiellen Käufer eine Probefahrt mit dem KFZ ermöglichen kann. Als der Betroffene die längere Probefahrt unternimmt, parkte er das Auto unglücklicherweise in einer absoluten Halteverbots-Zone und kehrte mit seiner Begleitung in ein Restaurant ein. Das Ordnungsamt wurde bei einer Routinekontrolle auf den Wagen aufmerksam, es kam zu einem Bußgeldbescheid bezüglich eines Zulassungsverstoßes in Tateinheit mit dem parken im absoluten Halteverbot. Die Geldbuße betrug 200 EUR.
Gegen diesen Bescheid legte der Betroffene Rechtsmittel ein, die Sache wurde an das Kammergericht Berlin verwiesen. Als Begründung führte er an, dass der Zulassungsverstoß nach § 3 Abs. 1 FVZ nicht gegeben sei, da er durch das Parken die erlaubte Probefahrt lediglich unterbrochen, jedoch nicht beendet habe. Der Charakter einer Fahrt bestehe dennoch und könne durch einen einfachen Parkvorgang nicht vollständig aufgehoben werden.
Die Rechtsbeschwerde war zwar zulässig, jedoch unbegründet. Als privilegierte Fahrt im Sinne des § 16 Abs. 1 S. 1 FVZ ist lediglich eine solche Probefahrt umfasst, welche das Ziel hat, die Leistungs – und Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeuges zu prüfen. Lediglich vereinzelte Ausnahmen, welche eng mit einer Probefahrt in Verbindung stehen, sind seitens der Rechtsprechung noch unter den Privilegierungstatbestand des § 16 Abs. 1 S. 1 FVZ zu subsumieren. Darunter fällt etwa das Tanken des Fahrzeuges oder eine sich der Probefahrt anschließende Außenreinigung, falls es zu Verschmutzungen des Autos gekommen ist. Andere Ausnahmen sind dem Gesetz sowie der Rechtsprechung fremd. Aufgrund dieser Auslegung fällt der Restaurantbesuch auch nicht mehr unter den Zweck der Substanzprüfung eines Fahrzeugkaufes und kann demnach nicht unter die Privilegierung des § 16 Abs. 1 S.1 FVZ fallen. Es kommt zwingend zu einem Verstoß nach § 3 Abs. 1 FVZ, dem Fahren eines Fahrzeuges ohne Zulassung.
Die Richter betonen, dass eine solch enge Auslegung im Sinne der allgemeinen Lebenserfahrung notwendig sei, da ein PKW ein extrem hohes Gefahrenpotential im Straßenverkehr besitzt und man durch ein Kurzzeitkennzeichen die Möglichkeit bekommt, eine Anmeldung des Fahrzeuges zu umgehen. Demnach sei hier besonders wichtig, keinen weiteren Raum für den Missbrauch dieser Möglichkeit zu schaffen, vor allem da es sich in diesem Zusammenhang auch häufig um versicherungsrechtliche Fragen dreht.
Kammergericht, Beschluss vom 17.09.2020 - 3 Ws (B) 189/20 – 162 Ss 73/20
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Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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