Der Bundesgerichtshof hat sich im November 2022 erneut mit den Fälschungen von Corona-Impfbescheinigungen beschäftigt. Nachdem es im Jahre 2021 vermehrt zu Fälschungen solcher Impfbescheinigungen gekommen ist, hat der Gesetzgeber den § 277 StGB aktualisiert, um eventuelle Straflücken in Bezug auf diese Taten zu schließen. Nach der aktuellen Ansicht der Richter des Bundesgerichtshofes war sogar das alte Recht und die alte Gesetzesfassung jedoch ausreichend, um die Fälschung von Impfbescheinigungen unter Strafe zu stellen.
Der Entscheidung des Bundesgerichtshofes liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Das Landgericht Hamburg hat einen Angeklagten im März 2022 wegen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Im gleichen Prozess wurde er zudem von dem Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung freigesprochen. Gegen diesen Freispruch richtete sich das Revisionsbegehren der zuständigen Staatsanwaltschaft Hamburg.
Es handelte sich bei der Tat um die Ausstellung von insgesamt 19 unrichtigen Impfbescheinigungen in Bezug auf das Sars-CoV-2-Virus, welcher er gegen die Zahlung eines Entgeltes anfertigte und die Impfpässe mit der Impfstoffbezeichnung sowie der Chargennummer versah. Zudem wurde ein gelber Stempel des Impfzentrums in den Pass gedrückt und eine vermeintliche, erfundene Unterschrift des Impfarztes korrekt platziert. Angesichts der damaligen Zugangsbeschränkungen für Ungeimpfte aufgrund der CoViD-19-Pandemie war dem Angeklagten bewusst, dass seine Abnehmer die Bescheinigungen gegenüber Dritten, etwa Apotheken zur Erstellung eines digitalen Impfzertifikats oder in der Gastronomie zum Nachweis über angebliche Schutzimpfungen ihrer Person, vorlegen würden.
Landgericht damals: Es liegt keine Urkundenfälschung vor
Das Landgericht hat den Freispruch daher begründet, dass eine Strafbarkeit wegen Fälschung von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung nicht in Betracht gekommen ist, da die damalige Vorschrift bei Verwendung der Fälschungen bei einer Behörde oder einer Versicherung zwingend voraussetzt. Im vorliegenden Fall wurden diese gefälschten Pässe jedoch lediglich in der Gastronomie oder in Apotheken vorgelegt, welche nicht unter die schutzwürdigen Adressaten des § 277 StGB fallen. Einer Verurteilung wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB habe nach Ansicht des Landgerichts entgegengestanden, dass § 277 StGB a.F. eine abschließende Sonderregelung gewesen sei, die einen Rückgriff auf das allgemeine Urkundenstrafrecht verboten habe.
Diesen Teil des landgerichtlichen Urteils hat der Bundesgerichtshof rechtlich bemängelt und den Freispruch aus diesen Gründen aufgehoben. Entgegen der Auffassung von Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung, denen das Landgericht gefolgt ist, handelt es sich bei § 277 StGB a.F. nicht um eine spezielle Vorschrift, die den Täter der Fälschung von Gesundheitszeugnissen im Verhältnis zu dem einer Urkundenfälschung privilegieren soll. Weder dem Zweck noch dem systematischen Zusammenhang der miteinander konkurrierenden Bestimmungen oder dem Willen des Gesetzgebers lassen sich Anhaltspunkte für eine solche Privilegierung entnehmen. Erst recht entfaltet § 277 StGB a.F. keine "Sperrwirkung" gegenüber der Urkundenfälschung (§ 267 StGB), wenn der Tatbestand der Fälschung von Gesundheitszeugnissen nicht (vollständig) erfüllt ist.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.11.2022 - 5 StR 283/22 –
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Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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