Ereignet sich ein Verkehrsunfall im Straßenverkehr, sind die daran Beteiligten dazu verpflichtet, am Unfallort zu verbleiben, bis Feststellungen zu ihrer Person, ihrem Fahrzeug und der Art ihrer Beteiligung getroffen worden sind. Unfallbeteiligter ist gemäß § 142 Abs. 5 StGB jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann. Entfernt sich ein Unfallbeteiligter in Kenntnis der Tatumstände, bevor die erforderlichen Feststellungen getroffen worden sind, macht er sich unter Umständen wegen Unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1, 2 StGB strafbar.
Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bei Verwirklichung des § 142 StGB möglich
Wird gegen einen Unfallbeteiligten Anklage wegen Verkehrsunfallflucht erhoben, kann die Staatsanwaltschaft zudem die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO beantragen: So geschehen in einer Strafsache mit Vorwurf des Unerlaubten Entfernens vom Unfallort, welche vor dem Amtsgericht Bautzen verhandelt wurde. Der angeklagte Berufskraftfahrer hatte infolge Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht den erforderlichen seitlichen Sicherheitsabstand zu einem Fahrradfahrer im Zuge eines Überholmanövers eingehalten. Es kam zur Kollision, wobei der Fahrradfahrer durch den Anstoß des Lastkraftwagens sechs Meter neben der Fahrbahn zum Liegen kam und körperliche Verletzungen erlitt. Der später Angeklagte fuhr davon, ohne seiner Vorstellungs- und Feststellungsduldungspflicht nachzukommen. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen des Unerlaubten Entfernens und beantragte gleichzeitig die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis des Angeklagten. § 111a StPO eröffnet dem Gericht die Möglichkeit einer vorläufigen Maßnahme bereits vor der Verkündigung des Endurteils. Sinn und Zweck ist dabei der Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren durch ungeeignete Kraftfahrzeugführer.
Regelmäßige Entziehung der Fahrerlaubnis nach Unfallflucht bei erheblichem Schaden oder Verletzung bzw. Tötung eines Menschen
An der Tatsache, dass § 142 StGB ausschließlich das private Feststellungsinteresse der Unfallbeteiligten und Geschädigten zum Zwecke der Durchsetzung oder Abwehr zivilrechtlicher Ansprüche schützt, scheitert der Antrag auf vorläufige Entziehung regelmäßig nicht. Denn gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist derjenige, der den Vorwurf des § 142 StGB erfüllt hat, dann als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn er weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist.
Antrag auf Entziehung sechs Monate nach der Tat nicht erfolgreich
Auch eine Antragstellung erst längere Zeit nach Tatbegehung ist möglich. Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nur deshalb abgelehnt, weil seit Tatbegehung über sechs Monate verstrichen waren, ohne dass der Angeklagte weitere verkehrsrechtsrelevante Vorkommnisse verschuldet hatte. Vielmehr war er als Berufskraftfahrer auf seine Fahrerlaubnis angewiesen, eine vorläufige Entziehung hätte seine Existenz gefährdet. Für eine derartige Maßnahme blieb somit kein Raum.
Erheblicher Schaden laut LG Bielefeld erst ab 1.800,- €
Eine vorläufige Entziehung ist nach Begehung einer Verkehrsunfallflucht auch dann gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB möglich, wenn bei dem Verkehrsunfall ein bedeutender Schaden an einer fremden Sache entstanden ist. Bislang lag die Grenze zum bedeutenden Schaden bei 1.500 ,- €. Am 02.02.2024 gab das Landgericht Bielefeld nun einer Beschwerde des Angeklagten gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis statt. Laut LG sei kein erheblicher Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB entstanden, sodass der Angeklagte nicht ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei. Es wurde zudem eine höher anzusetzende Schadensumme von nunmehr 1.800,- € eingeführt. Dieser Umstand wurde mit den Preissteigerungen und der damit zusammenhängenden Entwicklung der Reparaturkosten und Einkommen begründet.
Dabei bleibt es dem Gericht jedoch unbenommen, auch bei niedrigeren Schadensummen auf eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zu erkennen, wenn der zuständige Tatrichter nach der einzelfallbezogenen Prognoseentscheidung eine derartige Maßnahme als geboten erachtet.
AZ: AG Bautzen, Beschluss vom 25.01.2024 – 40 Ds 620 Js 31577/22
LG Bielefeld, Beschluss vom 02.02.2024 – 10 Qs 51/24
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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