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AutorenbildSven Skana

Bildung einer Rettungsgasse auf autobahnähnlicher innerörtlicher Straße notwendig?

Auf Autobahnen sowie auf Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen müssen Fahrzeuge für die Durchfahrt von Polizei- und Hilfsfahrzeugen eine freie Gasse bilden. So verlangt es § 11 Abs. 2 StVO. Das Amtsgericht Augsburg legte die straßenverkehrsrechtliche Norm dahingehend aus, dass sie ebenso für eine Bundesstraße im Stadtgebiet Augsburg mit autobahnähnlichem Ausbau anzuwenden sei. In der Folge wurde ein Betroffener, der auf dieser Bundesstraße keine vorschriftsmäßige Gasse gebildet und damit ein aufgrund eines Verkehrsunfalls zum Einsatz gekommenes Polizeifahrzeug für mindestens fünf Minuten an der Weiterfahrt gehindert hatte, zu einer Geldbuße von 240 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt.


Argumentation der Verteidigung

Der Betroffene erhob gegen das Urteil des AG Augsburg Rechtsbeschwerde mit der Begründung, durch das Urteil werde materielles Recht verletzt. Insbesondere bestehe innerorts keine Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse. Zudem habe der Betroffene alles Notwendige unternommen, um eine vorschriftsmäßige Rettungsgasse zu bilden.


Tatbestand bei Befahren einer autobahnähnlichen Straße nicht erfüllt

Das Bayerische Oberlandesgericht hat die Verurteilung am 26.09.2023 per Beschluss aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Augsburg zurückverwiesen. Es hat den Tatbestand hinsichtlich der vom Betroffenen befahrenen Bundesstraße innerorts als nicht erfüllt angesehen.


Auslegung des § 11 Abs. 2 StVO anhand des Wortlauts

Der Wortlaut ist für die Auslegung einer Norm maßgebend. Der Wortsinn bestimme die Grenze der Auslegung, gleichzeitig dürfe bis zur äußersten sprachlichen Sinngrenze zwischen möglichen Wortbedeutungen gewählt werden, so argumentierte das BayObLG. Der eindeutige Wortlaut des § 11 Abs. 2 StVO benennt lediglich Autobahnen sowie Außerortsstraße, die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse gilt somit nicht für den innerörtlichen Verkehr auf einer Bundesstraße. Der autobahnähnliche Ausbau ändere daran laut BayObLG nichts.

Die Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 11 Abs. 2 StVO auf Bundesstraßen in Stadtgebieten überschreite die Grenze des möglichen Wortsinns. Es liegt nach Auffassung des BayObLG damit ein Verstoß gegen den in Art. 103 Abs. 2 GG und § 3 OWiG geregelten Bestimmtheitsgrundsatz und das Analogieverbot vor.


Keine Rettungsgassenbildung auf innerörtlichen Straßen

Auch der Sinn und Zweck des § 11 Abs. 2 StVO spreche für eine Aufhebung des Urteils. Bei Unfällen auf der Autobahn oder Außerortsstraßen soll den Sicherungs- und Rettungskräften ein schneller und möglichst sicherer Zugang ermöglicht werden, um schneller bei Verletzungen tätig zu werden und auch, um sicherzustellen, dass der Unfall und seine Auswirkungen hinsichtlich des Verkehrs schnell beseitigt werden können. Innerorts hingegen sind Fahrzeuge dazu angehalten, an den rechten Rand zu fahren, um einem Rettungs- oder Polizeifahrzeug die Durchfahrt zu ermöglichen. Zur Bildung einer Rettungsgasse werden Verkehrsteilnehmer dort nicht aufgefordert. § 11 Abs. 2 StVO ist daher auch wegen des fehlenden Sinns für innerörtlich verlaufende Straßen nicht anwendbar.


Das Gericht wies jedoch auf eine mögliche Verurteilung nach §§ 38 Abs. 1 Satz 2, 49 Abs. 3 Nr. 3 StVO hin, nachdem der Betroffene immerhin ein aufgrund eines Verkehrsunfalls zum Einsatz gekommenes Polizeifahrzeug für mindestens fünf Minuten an der Weiterfahrt gehindert hat. Über diesen Vorwurf hatte nun erneut das AG Augsburg zu entscheiden.


BayObLG, Beschluss vom 26.09.2023 - 201 ObOWi 971/23


Hinweis:


Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.


Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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