Der Bundesgerichtshof hat am 09.02.2023 einen Beschluss gefasst, der sich mit der Frage der Befangenheit von Richtern im Revisionsverfahren befasst. Der BGH hat entschieden, dass ein Richter des Revisionsgerichts befangen ist, wenn er im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Beschluss zu entscheiden hat, mit dem das Berufungsgericht die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen hat, und an diesem Beschluss mitgewirkt hat.
Die Entscheidung beruht auf folgendem Sachverhalt:
Der Kläger hatte den Beklagten auf Unterlassung einer wettbewerbswidrigen Werbung in Anspruch genommen. Das Landgericht Hamburg hatte die Klage abgewiesen und die Berufung des Klägers zugelassen. Der Beklagte legte gegen das Urteil keine Anschlussberufung ein. Das Oberlandesgericht Hamburg wies die Berufung des Klägers durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurück und ließ die Revision nicht zu. An dem Beschluss wirkten drei Richter mit, darunter auch der Vorsitzende Richter des Senats.
Der Kläger legte gegen den Beschluss Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH ein und beantragte zugleich die Ablehnung des Vorsitzenden Richters des Senats wegen der Besorgnis der Befangenheit. Er machte geltend, dass der abgelehnte Richter als Mitglied des Revisionsgerichts im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde über denselben Streitgegenstand zu entscheiden habe, über den er bereits als Mitglied des Berufungsgerichts entschieden habe.
BGH sah eine Befangenheit des Vorsitzenden Richters
Der BGH gab dem Ablehnungsgesuch statt und stellte fest, dass die Besorgnis der Befangenheit begründet sei. Der BGH führte aus, dass es für die Beurteilung der Befangenheit nicht darauf ankomme, ob der abgelehnte Richter tatsächlich voreingenommen sei oder nicht. Es genüge vielmehr, wenn aus Sicht eines verständigen Prozessbeteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben sei, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln2.
Der BGH verwies auf seine ständige Rechtsprechung, wonach ein Richter befangen ist, wenn er als Mitglied des Revisionsgerichts über eine Revision zu entscheiden hat, an deren Zurückweisung er als Mitglied des Berufungsgerichts mitgewirkt hat. Diese Grundsätze seien auch auf das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend anzuwenden. Denn auch in diesem Verfahren habe das Revisionsgericht über dieselbe Streitsache zu befinden wie das Berufungsgericht und müsse dabei auch dessen Entscheidung überprüfen.
Der BGH betonte, dass es für die Befangenheit unerheblich sei, ob der abgelehnte Richter an einem Urteil oder einem Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO mitgewirkt habe. Denn auch ein solcher Beschluss sei eine Sachentscheidung in der Hauptsache und schließe das Verfahren in zweiter Instanz ab. Ebenso sei es unbedeutend, ob der Beklagte eine Anschlussberufung eingelegt habe oder nicht. Denn dies ändere nichts daran, dass sich das Revisionsverfahren auf denselben Streitgegenstand beziehe wie das Berufungsverfahren und dass sich daraus eine mögliche Vorfestlegung des abgelehnten Richters ergeben könne.
Der Beschluss des BGH zeigt, wie wichtig es ist, die wie wichtig es ist, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter zu gewährleisten und zu wahren. Der Bundesgerichtshof hat damit erneut die Anforderungen an die Ablehnung von Richtern im Revisionsverfahren konkretisiert und präzisiert.
Az.: BGH, Beschl. v. 09.02.2023 – I ZR 142/22
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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