Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 20.12.2022 das Urteil des Landgerichts Aachen vom 13.06.2022 teilweise aufgehoben, mit dem der Angeklagte wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden war.
Zum Sachverhalt:
Der Angeklagte hatte am 15.01.2022 gegen 23:00 Uhr auf einer Bundesstraße einen Pkw überholt, obwohl er die entgegenkommenden Fahrzeuge nicht rechtzeitig erkennen konnte. Er scherte erst kurz vor einem entgegenkommenden Lkw wieder ein, der eine Vollbremsung machen musste, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Der Angeklagte fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit weiter und überholte kurz darauf erneut einen Pkw, wobei er wiederum einen entgegenkommenden Pkw gefährdete, der ebenfalls eine Vollbremsung machen musste.
Das Landgericht Aachen hatte den Angeklagten wegen zweier Fälle des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) StGB verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen sowie eine Sperrfrist von zwei Jahren für die Neuerteilung angeordnet.
BGH: Keine ausreichende Prüfung der Gefahr für Leib und Leben
Der BGH hat das Urteil des Landgerichts Aachen auf die Revision des Angeklagten hin teilweise aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Der BGH hat beanstandet, dass das Landgericht nicht ausreichend geprüft hat, ob der Angeklagte die konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat, wie es § 315c Abs. 1 StGB voraussetzt. Das Landgericht hatte lediglich festgestellt, dass der Angeklagte “grob verkehrswidrig und rücksichtslos” gehandelt habe, ohne zu erörtern, ob er die Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer erkannt oder zumindest billigend in Kauf genommen habe.
Der BGH hat zudem bemängelt, dass das Landgericht nicht ausreichend begründet hat, warum es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von zwei Jahren angeordnet hat. Das Landgericht hatte sich hierbei nur auf die Schwere der Taten gestützt, ohne zu berücksichtigen, ob der Angeklagte charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei oder ob es sich um eine einmalige Fehlentscheidung gehandelt habe.
Der Beschluss des BGH zeigt, dass bei der Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr eine sorgfältige Prüfung des subjektiven Tatbestands erforderlich ist, um zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit zu differenzieren. Zudem muss die Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Sperrfrist für die Neuerteilung individuell begründet werden und darf nicht allein auf der Schwere der Taten beruhen.
BGH, Beschl. v. 20.12.2022 – 4 StR 377/22
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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