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AutorenbildRA Sven Skana

BGH: Drogeneinfluss allein führt nicht zur Annahme der Fahruntüchtigkeit

Aktualisiert: 29. Nov. 2022

Der Bundesgerichtshof hat sich in einem brandaktuellen Beschluss vom 02.08.2022 zur Schwelle der Intoxikation im Sinne des § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) ausgesprochen. Die Richter entschieden folgenden Leitsatz:

Wer sich nach dem Konsum von Drogen ans Steuer eines Fahrzeugs setzt, gilt nicht zwangsläufig als fahruntüchtig. Dafür sind vielmehr Art und Ausmaß sonstiger Ausfallerscheinungen von Bedeutung. Die Blutwirkstoffkonzentration sei nur ein Indiz. Dies sorgt für eine sorgfältigere Prüfung des § 316 StGB sowie dessen Annahme.


Zwei ähnliche Sachverhalte führen zur gemeinsamen Revision


Dem Fall liegen zwei Sachverhalte zugrunde, welche in der Revision zusammen entschieden wurden:

Ein Fahrzeugführer ohne Fahrerlaubnis wird von den am Seitenrand parkenden Beamten dazu aufgefordert, sich einer polizeilichen Verkehrskontrolle zu unterziehen. Um seine Fahrt zu verschleiern, beschleunigt er und rast mit ca. 100 km/h durch eine deutsche Innenstadt, um zur nächsten Autobahn zu gelangen. Diese befuhr er dann für eine Weile, die verfolgenden Beamten bemerkten, dass er „Schlangenlinien“ zieht. Letztendlich verließ er die Autobahn wieder, überfuhr dabei eine rote Ampel, verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug und landete im Graben, was die aktuelle Verfolgungsjagd für beendet erklärte.

Der nachfolgende Alkohol – und Drogentest ergab eine positive Messung auf Amphetamin und THC.

Nach kürzester Zeit war der Mann erneut mit einem Fahrzeug unterwegs und sollte an einer allgemeinen Verkehrskontrolle der Beamten teilnehmen. Dabei stoppte er den Wagen erst und beschleunigte diesen dann im günstigsten Moment stark, um von den Beamten zu flüchten und sich einen zeitlichen sowie distanziellen Vorteil zu verschaffen. In der Folge endete diese Verfolgungsjagd in einem verschlammten Feldweg, welcher ihn an der Weiterfahrt hinderte. Nachdem er zurücksetzte und dabei einen nachfolgenden Streifenwagen beschädigte, fuhr er eine Böschung hinab und landete erneut im Graben.

Auch dieser nachfolgende Drogentest reagierte auf Amphetamin und THC.


Das erstinstanzlich zuständige Landgericht Gießen verurteilte ihn wegen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) zu einer Haftstrafe von 22 Monaten sowie zu einer Nebenstrafe. Dagegen folgte die Revision des Verurteilten.


Die Richter des Bundesgerichtshofes hoben das Urteil auf und verwiesen es an das Landgericht Gießen zur Neuverhandlung zurück. Nach deren Ansicht bedarf es zum Nachweis einer tatsächlichen Fahruntüchtigkeit nach § 316 StGB weiterer Merkmale als eines positiven Bluttests. Die drogenbedingte Fahruntüchtigkeit allein auf den Blutwert abzustellen, ist nicht plausibel genug.


Genaue Analyse des Einzelfalles notwendig

Die Richter argumentierten, dass die 1. Fahrt des Mannes mit hohem Tempo in der Innenstadt sowie „Schlangenlinien“ auf der Autobahn keine ausreichende Begründung für die Strafbarkeit wegen Trunkenheit darstellt.

Auch das taktische „Losrasen“ sowie die Beschädigung des Streifenwagens bei der 2. Fahrt sind noch nicht ausreichend.

Die Einlassung des Mannes, dass dieser in Panik geflüchtet sei und sich deshalb so verhalten hat, kann das rücksichtslose Verhalten teilweise erklären und zielt nicht unbedingt auf eine drogenbedingte Ausfallerscheinung ab.

Selbst das „Schlangenlinienfahren“ auf der Autobahn könnte aufgrund des Fluchtinstinkts und der damit verbundenen Angst erklärt werden.


Je höher die Blutwirkstoffkonzentration, desto geringer auch die Anforderungen an Art und Ausmaß der Ausfallerscheinungen. Für das Ausbleiben einer genauen Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, müsse das prüfende Gericht aber von einer „manifesten Intoxikation“ ausgehen. Der Blutwert allein stelle zwar ein gewichtiges Indiz dar, könne aber bei einer Konsumgewöhnung zu anderen Ergebnissen führen.

Dieser Umstand wurde vom Landgericht Gießen in der ersten Instanz jedoch nicht berücksichtigt – darum hob der BGH das Urteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück.

Dieses hat jetzt eine sorgfältigere Prüfung mit den Anweisungen des BGH vorzunehmen.


BGH, Beschluss vom 02.08.2022, Az. 4 StR 231/22


AdobeStockFoto-Nr.: 309272953


Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.


Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht





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