Der Bundesgerichtshof hat im November 2022 ein bahnbrechendes und aufmerksamkeitserregendes Urteil für das Verkehrsrecht ausgesprochen. Im Straßenverkehr besteht der Grundsatz, wenn keine Vorfahrtsregelung gegeben ist, dann muss sich der Autofahrer an der Regel „Rechts vor Links“ orientieren. Der BGH hat in seiner aktuellen Entscheidung diesen Grundsatz zumindest für öffentliche Parkplätze widerlegt.
Das Gericht traf folgende Aussage: "Im Falle von Parkplätzen ohne spezielle Regelungen zur Vorrangvergabe gilt normalerweise kein "rechts vor links" Prinzip. Dies wurde nun von höchstrichterlicher Seite bestätigt. Es ist für die Sicherheit vorteilhaft, wenn sich Autofahrer gegenseitig Rücksicht nehmen und die Vorfahrt miteinander absprechen."
Das Urteil beruht auf folgendem Sachverhalt:
Zwei Autofahrer aus Lübeck kollidierten auf einem Baumarktparkplatz im Kreuzungsbereich von zwei Fahrgassen. Sie hatten sich wegen eines parkenden Sattelzuges nicht rechtzeitig gesehen. Der klagende Autofahrer argumentierte, dass er deshalb nicht für den Schaden hafte, da er von rechts gekommen war. Die vorinstanzlichen Gerichte entschieden jedoch, dass die Haftungsquote von 70 zu 30 zugunsten des klagenden Fahrers aufgrund eines Verstoßes gegen die Geschwindigkeitsbegrenzungen in einer unübersichtlichen Situation und nicht aufgrund der Vorfahrtsregel "rechts vor links" berechnet wurde.
Bundesgerichtshof äußert sich dennoch zur „Rechts vor Links-Regelung“
Der BGH hat bestätigt, dass die Regelung "Rechts vor Links" des § 8 StVO nicht auf dem Baumarktparkplatz angewendet werden kann, da es sich hierbei nicht um eine "Kreuzung" handelt. Eine Kreuzung liegt laut BGH nur vor, wenn zwei Straßen sich schneiden und auf dem Parkplatz fehlt es an dem erforderlichen eindeutigen Straßencharakter. Die Parkplatzflächen dienen vorrangig dem Rangieren und Be- und Entladen und es sind auch Fußgänger unterwegs. Daher sind hier keine strengen Vorfahrtsregeln erforderlich. Die Richter betonten auch, dass viele Autofahrer trotz dieser Entscheidung weiterhin davon ausgehen, dass auf Parkplätzen die Regel "Rechts vor Links" gilt und es müsse daher immer damit gerechnet werden, dass der von rechts kommende Fahrer sich fälschlicherweise für vorfahrtberechtigt hält. Das sei aber kein Grund, den von rechts Kommenden zu privilegieren. Der müsse seinerseits darauf achten, dass auf Parkplätzen die Vorfahrtsregel grundsätzlich nicht gilt.
Bundesgerichtshof, Urt. v. 22.11.2022, Az. VI ZR 344/21
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Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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