Das Oberlandesgericht Hamm hat mit seinem Beschluss vom März 2022 die Strafbarkeit einer Behinderung von Rettungsdienstleistern konkretisiert. Nach Ansicht der Richter erfüllt eine Verzögerung des Rettungsdienstes durch eigene Handlungen bereits in der Zeitspanne von einer Minute den Straftatbestand des § 115 Abs. 3 StGB.
Der Konstellation liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Nach den Feststellungen des erstinstanzlich zuständigen Amtsgerichts kam es im September 2019 im Ort Ibbenbüren zu einem Unfall einer älteren Fahrradfahrerin, welche mit ihrem Rad die Kontrolle verloren hat und sich beim Sturz eine blutende Kopfverletzung zuzog. Nach dem Ereignis haben sich sofort Ersthelfer um die Frau gekümmert und Polizei & Rettungsdienste alarmiert.
Da ein Ersthelfer seinen Wagen schräg vor dem Ort des Unfalls parkte, um die Verletzte zu schützen, kam es zu einem Rückstau, da der Verkehr lediglich einspurig fortgesetzt werden konnte.
Der Angeklagte näherte sich der Unfallstelle mit seinem PKW und befand sich in der Schlange der Fahrzeuge, welche aufgrund der Verkleinerung der Fahrbahn nur langsam vorankamen. Hinter ihm befand sich der nahende Rettungswagen mit Blaulicht und eingeschalteter Sirene, um die Verunfallte vor Ort zu versorgen.
Unfallsituation war objektiv für alle Fahrzeuge einsehbar – dennoch hielt der Angeklagte an und beschwerte sich
Obwohl alle Fahrzeuge ohne Probleme erkennen konnten, dass es sich hier um einen Unfall handelt und das abgestellte Fahrzeug des Ersthelfers als Abschirmung dienen soll, fuhr der Beschuldigte mit seinem PKW neben das parkende Auto und beschwerte sich lautstark über die Versperrung des Weges.
Aufgrund dieser Handlung hatte der Rettungswagen nicht ausreichend Platz, um das Fahrzeug des Angeklagten zu passieren. Erst nach mehrmaliger Aufforderung durch die Polizeibeamten, welche sich vor Ort befanden, setzte der Angeklagte seine Fahrt fort und machte so viel Platz, dass der Sanitätswagen gerade so durch die Lücke passte.
Anschließend öffnete der Beschuldigte jedoch so schnell seine Fahrertür, dass der RTW erneut stoppen musste. Nach wiederholtem Aufholen der Hupe und des Martinshorns schloss der Angeklagte seine Türe wieder, so dass der Rettungswagen die verletzte Frau erreichten konnte. Es kam durch die Handlung zu einer Verzögerung von mindestens einer Minute.
Das Amtsgericht hat dieses Verhalten als eine dem Widerstand gegen einen Vollstreckungsbeamten gleichstehende Straftat nach § 115 Abs. 3 StGB gewertet. Es fand laut dem Tatrichter eine Behinderung des Hilfeleistenden durch Gewalt statt, nämlich die Versperrung des Weges durch körperlich vermittelten Zwang im Sinne des Haltens des Fahrzeuges sowie Öffnung der Fahrertür.
Der Angeklagte wollte sich mit einer Rechtsbeschwerde vor dem Oberlandesgericht wehren, diese führte jedoch zu keinerlei Erfolg. Die Richter des OLG haben das Urteil des erstinstanzlich zuständigen Amtsgerichtes vollumfänglich bestätigt.
Das Urteil erwächst demnach in Rechtskraft. Der Verurteilte hat eine Einzelstrafe von 90 Tagessätzen erhalten, zudem wurde ein Fahrverbot über vier Monate verhängt, da es sich um ein missbräuchliches Verhalten im Straßenverkehr handelte und ein zusätzlicher Denkzettel in fahrerlaubnisrechtlicher Sicht notwendig scheint.
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 10.03.2022 - III-4 RVs 2/22 –
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Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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