top of page

143 km/h auf der Landstraße: Kann das noch als Fahrlässigkeit gewertet werden?

Autorenbild: RA Sven SkanaRA Sven Skana

Das OLG Zweibrücken hat sich im Februar 2022 mit einem Ordnungswidrigkeitssachverhalt in Bezug auf eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit auseinandersetzen müssen. Ein Fahrzeugführer war 43 km/h zu schnell unterwegs und begründete dies mit einem Tiernotfall. Das Gericht hat entschieden, dass bei einer Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 Prozent damit gerechnet werden muss, dass ein bedingter Vorsatz angenommen wird. Eine nur fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung ist in einem solchen Fall nur schwer begründbar.


Das Urteil beruht auf folgendem detaillierten Sachverhalt:

Ein Mann war mit seinem PKW auf der Landstraße mit 143 km/h geblitzt worden. Es kam zu einer toleranzbereinigten Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit von 43 km/h. Die Unaufmerksamkeit hat der Mann darin begründet, dass er soeben auf seinem mobilen Warnsystem einen Daueralarm für die elektronische Einfriedung seiner Koppel erhalten hat, auf welcher seine Pferde zurzeit stehen. Er berichtet von einem Fall in der Vergangenheit, in dem die gleiche Meldung ausgelöst wurde und sich eines seiner Pferde in die stromführende Schnur verwickelt hat und dauerhaft durch Stromstöße Schmerzen leiden musste. Vor Angst, dass dies wieder der Fall ist, habe er sich nicht wirklich auf die Begrenzung der Geschwindigkeit konzentrieren können und dadurch kam es zur besagten Überschreitung.


Amtsgericht erkennt den fahrlässigen Verstoß an

Das erstinstanzlich zuständige Amtsgericht habe diese Erläuterung des Mannes als nicht widerlegt erachtet und hat ihn daraufhin aufgrund eines fahrlässigen Verstoßes in Bezug auf die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 320 EUR verurteilt.


Gegen diese Entscheidung wurde seitens der Staatsanwaltschaft eine Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht Zweibrücken eingelegt. Dieses kam diesbezüglich zu einer differenzierten Einschätzung. Nach Ansicht der Richter ist ein fahrlässiges Verhalten in dieser Konstellation nicht mehr haltbar. Der Betroffene habe weder ausgesagt, dass er wiederholt beidseitig aufgestellte Verkehrsschilder übersehen hat, noch hat er behauptet, dass er die gefahrene Geschwindigkeit falsch einschätzte.


Überschreitung von mehr als 40 Prozent müsste erkannt werden

Der Mann habe sich auf einer Landstraße befunden. Ihm war in diesem Moment klar, dass hier eine maximale Geschwindigkeit von 100 km/h erlaubt ist, unabhängig der Beschilderung. Wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 Prozent überschritten werde, sei zudem regelmäßig davon auszugehen, dass dem Fahrer das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit nicht verborgen geblieben sein könne.

Da sich der Mann nach seiner Einlassung in einer Notsituation befunden habe und diese Geschwindigkeitsüberschreitung in Kauf nahm, um schneller bei seinen Tieren zu sein, liegt hier deutlich näher und würde den bedingten Vorsatz realistischer wirken als eine reine Fahrlässigkeitstat. Hinzuzufügen ist, dass der Mann die Strecke zu seiner Koppel offensichtlich kannte und sich deren Geschwindigkeitsbeschränkungen durchaus bewusst ist.


OLG Zweibrücken, Beschluss v. 3.2.2022, 1 OWi 2 SsBs 113/21


AdobeStock Foto-Nr.: 12729958


Hinweis:


Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.


Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page